Der russische Angriffskrieg hat Öffentlichkeit und Politik aufgerüttelt. Deutschland erhöht die Verteidigungsausgaben. Künftig soll der Verteidigungsetat auf gut 2 % des BIP steigen und mit einem 100 Mrd. Euro schweren Sondervermögen soll die Bundeswehr wieder einsatzfähig gemacht werden. Gleich zu Beginn der russischen Invasion in die Ukraine hatte sich der Heeres-Inspekteur, Generalleutnant Alfons Mais, mit der bemerkenswerten Äußerung, das Heer stehe „mehr oder minder blank da“, zu Wort gemeldet.

Jahrelang hatte es Streit um die Höhe der deutschen Verteidigungsausgaben gegeben. Insbesondere die USA hatten in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert, Deutschland solle seinen Verteidigungsetat auf 2 % der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) erhöhen. Für die NATO-Staaten ist die 2 %-Marke ein Zielwert, auf den sich die Bündnisländer mit einem geringeren Verteidigungshaushalt bis 2024 hinbewegen sollten.

Deutschland nutzte die Friedensdividende, die sich aus der Ost-West-Entspannung ergeben hatte, um den Verteidigungsetat von über 2,5 % des BIP (Ende der achtziger Jahre) auf zeitweilig nur noch gut 1 % abzusenken. In den letzten Jahren stieg der Verteidigungsetat zwar wieder etwas an, doch auch 2021 lag er mit rund 1,3 % immer noch deutlich unter der 2 %-Marke. Angesichts der militärischen Bedrohungslage sollen die Verteidigungsausgaben nun also schnellstmöglich auf den NATO-Zielwert angehoben werden. Im Vergleich zu anderen großen Wirtschaftsnationen hat Deutschland tatsächlich Nachholbedarf (s. Abbildung). Frankreichs Verteidigungsetat liegt bei 2,1 % des BIP, der amerikanische sogar bei 3,7 %. In absoluten Zahlen sind die Militärausgaben der USA weltweit mit Abstand am höchsten: 2022 lagen sie bei 778 Mrd. US-Dollar (Russland: 61,7 Mrd,; Deutschland: 52,8 Mrd.).

Die Bundesregierung besinnt sich mit den höheren Verteidigungsausgaben auf eine klassische Staatsaufgabe zurück, die in den letzten Jahren in erstaunlicher Weise vernachlässigt wurde: Die Landesverteidigung („Äußere Sicherheit“) gehört unumstritten zu den Aufgaben des Staates. Äußere Sicherheit ist ein sogenanntes öffentliches Gut, das nicht oder in nicht ausreichender Weise über Märkte und durch privatwirtschaftliches Engagement bereitgestellt werden kann. Deshalb ist hier der Staat in der Pflicht. In den vergangenen Jahren machte die Bundeswehr allerdings mehr durch fehlende Einsatzbereitschaft, Skandale und gesellschaftspolitisch neue Wege auf sich aufmerksam. Rückblickend kann man feststellen, dass Deutschland sich für den Ernstfall auf den Beistand durch die NATO-Mitgliedsländer verlassen hat – und somit eine sicherheitspolitische Trittbrettfahrerposition gewählt.

Dass sich der Staat ausgerechnet bei einer seiner klassischen Aufgaben so stark zurückhält, ist beachtlich, denn in der Wirtschaft hat er seinen Einfluss kräftig ausgeweitet. Die Staatsquote, die den Anteil der Staatsausgaben am BIP misst, lag 2021 mit 51,6 % so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Zugespitzt formuliert: Der Staat engagiert sich zunehmend dort, wo privatwirtschaftliches Engagement oft zu besseren Ergebnissen führen würde, aber er versagt in Bereichen, in denen er dringend benötigt würde. Eine Rückbesinnung auf seine Kernaufgaben ist dringend geboten. Dazu gehört auch eine grundlegende Diskussion darüber, was der Staat in der Wirtschaftspolitik leisten kann und wo er an seine Grenzen stößt. Der bloße Hinweis, der Markt würde hier und da versagen, ist noch kein guter Grund für eine aktivere wirtschaftliche Rolle des Staates. Letztlich muss die Politik beweisen, dass sie es besser kann. Nach aller Erfahrung ist der Staat aber meist nicht der bessere Unternehmer. Die verfehlte Verteidigungspolitik der vergangenen Jahre ist ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht nur der Markt unvollkommen ist. Auch der Staat stößt bei Problemlösungen regelmäßig an seine Grenzen und versagt – manchmal sogar in Bereichen, in denen es für den Bürger um Freiheit und Sicherheit geht.