In der Klimadiskussion werden immer häufiger Forderung nach Verzicht laut. Ist Verzicht – auch der Verzicht auf Wirtschaftswachstum – tatsächlich unausweichlich? Oder ist das Klimaproblem mit Technologie und marktwirtschaftlichen Instrumenten zu lösen? Lesen Sie das Interview mit Prof. Dr. Joachim Weimann, Professor an der Universität Magdeburg, Autor eines Lehrbuchs zur Umweltökonomik, Vorsitzender der „Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung e.V.“ und Initiator der Website „Nur mal kurz“.   

Markt und Mitte: Der Klimawandel ist das prägende Thema unserer Zeit. Kein Tag vergeht ohne Berichte, Kontroversen oder – neuerdings – Gerichtsurteile. Müssen wir unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ganz neu aufstellen?

Joachim Weimann: Zweifellos ist der Klimawandel ein ernstes Problem, dem wir unsere volle Aufmerksamkeit widmen müssen. Aber das bedeutet nicht, dass wir alles in Frage stellen sollten. Im Gegenteil. Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und die Dinge tun, von denen wir wissen, dass sie geeignet sind dem Klimawandel zu begegnen. Beispielsweise wissen wir, dass Märkte hervorragende Problemlösungsinstrumente sind. Der Emissionshandel hat gezeigt, dass es möglich ist, dieses Instrument auch für die Klimapolitik zu nutzen. Außerdem wissen wir, dass die westliche Welt in der Lage ist, technologische Fortschritte mit erheblicher Dynamik zu produzieren, wenn die Anreize richtig gesetzt werden. Die Transformation, die wir brauchen ist vor allem eine technisch/ökonomische Herausforderung. Es zeichnen sich immer deutlicher technische Möglichkeiten ab, die es erlauben fossile Brennstoff relativ schnell zu ersetzen. Beispielsweise durch synthetische Kraftstoffe, die im Sonnengürtel der Erde produziert werden. Für solche technischen Innovationen müssen wir offen sein, dann gelingt der Kampf um unser Klima auch ohne dass wir unseren Wohlstand und unsere Freiheit opfern müssen.

Markt und Mitte: Was ist der Kern des Klimaproblems aus Sicht der Ökonomen?

Joachim Weimann: Das Klimasystem ist ein global öffentliches Gut für das gilt, dass niemand von seiner Nutzung ausgeschlossen werden kann. Deshalb entstehen keine Märkte und damit auch kein Preis für die Lagerung klimaschädlicher Gase. Das kann nur durch politisches Handeln geheilt werden. Wir müssen den CO2-Preis, der von allein nicht entsteht, durch eine Steuer oder einen Emissionshandel politisch initialisieren.

Markt und Mitte: Wie sähe eine effiziente Klimaschutzpolitik aus?

Joachim Weimann: Der Emissionshandel ist ein exzellentes Instrument, mit dem man jedes klimapolitische Ziel kosteneffizient erreichen kann und von dem erhebliche Anreize für die technologische Entwicklung CO2-armer Technik ausgehen.

Markt und Mitte: Welche konkreten Maßnahmen müsste die Politik also idealerweise als nächstes umsetzen?

Joachim Weimann: Den Emissionshandel, den es ja bereits gibt, muss weiter ausgebaut werden, indem Verkehrs- und Wärmesektor integriert werden. Außerdem müssten Anstrengungen unternommen werden, mehr Länder in den Emissionshandel zu integrieren. Beides wäre relativ einfach zu bewerkstelligen.

Markt und Mitte: Wie bewerten Sie das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Joachim Weimann: Eine einzige Katastrophe. Das Gericht hat leider festgeschrieben, dass Klimapolitik national zu erfolgen hat und Sektor bezogen. Beides ist mit einer effizienten Klimapolitik nicht zu vereinbaren. Ob Deutschland klimaneutral wird und wann das passiert, ist ziemlich unwichtig. Wichtig sind die globalen CO2-Emissionen. Wenn wir durch einen Emissionshandel erreichen würden, dass insgesamt mehr, dafür aber in Deutschland weniger CO2 vermieden wird, dann wäre das ein Gewinn. Das BverfG-Urteil verhindert aber genau das.

 

Sie finden auch Videos zur Klima- und Umweltpolitik von Prof. Dr. Joachim Weimann auf der Website „Nur mal kurz“ oder in unserer Mediathek .