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nachhaltigkeit

„Wer öffentliche Verantwortung unmittelbar zu tragen hat, ist grundsätzlich stets bedacht, einen augenblicklichen Notstand rasch zu überwinden, wobei er die Sorge um die künftige Entlastung der öffentlichen Einnahmen gerne der Nachwelt überlässt.“

– Adam Smith, Moralphilosoph und Nationalökonom

Nach einer gängigen Definition ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil frei zu wählen. Eine andere Definition stellt auf die Regenerationsfähigkeit eines Systems ab. Wenn sich ein System aus sich selbst heraus regenerieren kann, gilt es als nachhaltig.

Mit dem Begriff Nachhaltigkeit werden typischerweise ökologische Themen assoziiert. Eine unregulierte Marktwirtschaft wird dem Gedanken der ökologischen Nachhaltigkeit nicht gerecht, weil für Umweltgüter ohne staatliche Eingriffe keine Preise existieren. Die Wirtschaftsakteure sehen die Umwelt deshalb nicht als knappe Ressource, auf die sie im Produktionsprozess Rücksicht nehmen müssten. Mit anderen Worten: Der marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismus ist außer Kraft gesetzt, weil die Preise den Verbrauchern und Unternehmen keine Knappheitssignale senden. Im Ergebnis wird die Umwelt „übernutzt“. Für eine umweltschonende Produktion muss der Staat deshalb Umweltpreise simulieren, entweder als Ökosteuer oder – noch besser – über die Ausgabe kostenpflichtiger Emissionszertifikate.

Nachhaltigkeit ist aber nicht nur ein ökologisches Thema. Auch ökonomisch spielt sie eine wichtige, aber weitgehend unbeachtete Rolle. Dies gilt insbesondere für die öffentlichen Finanzen. Über das Instrument der Staatsverschuldung werden finanzielle Lasten in die Zukunft – und damit auf die Steuerzahler von morgen – verschoben. Der offizielle Teil der Staatsschulden ist gut dokumentiert: Vor Ausbruch der Corona-Pandemie beliefen sich die deutschen Staatsschulden auf rund 60 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Aufgrund der Corona-Krise ist der Schuldenstand im Jahr 2020 auf rund 70 % des BIP gestiegen. Mit anderen Worten: Die deutschen Staatsschulden entsprechen 70 % der jährlichen Wirtschaftsleistung. Dies ist allerdings nur der sichtbare, offiziell ausgewiesene Teil der öffentlichen Schulden. Hinzu kommen die verdeckten bzw. impliziten Staatsschulden. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie beliefen sich diese verdeckten Schulden auf 176 % des BIP, sodass sich für die öffentlichen Finanzen eine Nachhaltigkeitslücke (60 % explizite + 176 % implizite Schulden) von rund 235 % ergab (siehe Abbildung). Die langfristigen fiskalischen Kosten der Pandemie lassen den verdeckten Schuldenstand sogar auf 297 % des BIP und damit die Nachhaltigkeitslücke auf 357 % steigen.

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg

Implizite Staatsschulden sind insbesondere in den sozialen Sicherungssystemen versteckt. Sie ergeben sich aus dem Umstand, dass die Leistungsversprechen, die der Staat seinen Bürgern über die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung (Rente, Gesundheit, Pflege, Arbeitslosigkeit) gibt, durch die gegenwärtigen Steuer- und Beitragssätze nicht gedeckt sind. Das Problem ist so lange noch weitgehend verdeckt, wie die geburtenstarken Jahrgänge (Geburtsjahre 1955 bis 1969) noch mehrheitlich im Berufsleben aktiv sind. Mit deren Eintritt in den Ruhestand werden sie von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern, sie lösen also u.a. die Rentenzusagen des Staates ein. Wenn der Staat seine Zusagen vollumfänglich einhalten würde, dann müsste er am Kapitalmarkt Schulden aufnehmen, sodass die bisher noch verdeckten/ impliziten Schulden nach und nach sichtbar und zu expliziten Schulden werden.

Wenn die Politik einen derart dramatischen Anstieg der Schulden verhindern möchte, bleiben ihr drei Möglichkeiten: 1. Die zugesagten Leistungen für Rente, Gesundheit, Arbeitslosigkeit und Pflege deutlich kürzen und/oder die allgemeinen Staatsausgaben zurückfahren. 2. Die Steuern und Beitragssätze anheben, um die öffentlichen Einnahmen zu erhöhen. 3. Das Renteneintrittsalter anheben, damit die Bürger länger als Steuer- und Beitragszahler erhalten bleiben und die Rentenbezugsdauer entsprechend verkürzt wird.

Auch wenn alle drei Varianten auf Widerstände in der Bevölkerung stoßen, führt kein Weg an ihnen vorbei, denn die Finanzmärkte wären kaum bereit, Staatsschulden in dieser Größenordnung zu finanzieren. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat unter einer solchen Schuldenlast zusammenbricht und die Schulden nicht zurückzahlen kann. Deshalb wird die Politik sehr wahrscheinlich eine Kombination aus allen drei Maßnahmen – mit einem stärkeren Fokus auf ein höheres Renteneintrittsalter – umsetzen.