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Gleichberechtigung und Gleichstellung

Gleichberechtigung und Gleichstellung gehören zu den Top-Themen unserer Zeit. Die Diskussionen darüber verlaufen kontrovers und zuweilen polarisiert. Das mag auch daran liegen, dass zwischen beiden Begriffen nur unzureichend differenziert wird – obwohl es zwischen den Konzepten von Gleichberechtigung und Gleichstellung himmelweite Unterschiede gibt.

Gleichberechtigung zielt auf gleiche Startbedingungen, Gleichstellung auf gleiche Ergebnisse. Wer Gleichberechtigung für alle Menschen fordert, der setzt sich für Chancengleichheit ein. Gesellschaftlich gibt es einen sehr weitgehenden Konsens darüber, dass Chancengleichheit so weit wie möglich herzustellen ist – etwa über kostenlose Bildungsangebote. Wer hingegen Gleichstellung fordert, der setzt auf Ergebnisgleichheit. Eine solche Sichtweise ist gesellschaftlich höchst umstritten und im Kern sozialistisch.

Hinter Gleichberechtigung steckt also die Idee, dass alle Bürger möglichst gleiche Startbedingungen für ihr Leben bekommen sollen, danach aber jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Wenn die Menschen die Chance haben, sich frei entfalten zu können, dann werden sie unterschiedliche Lebenswege einschlagen. Um es etwas holzschnittartig zu veranschaulichen: Manche investieren mehr Zeit in ihre Ausbildung, um beruflich weiter voranzukommen. Andere arbeiten mehr und härter, um sich materielle Dinge erlauben zu können. Und wieder andere möchten ihr Leben genießen und haben eine ausgeprägte Vorliebe für Freizeit und ein möglichst selbstbestimmtes Leben. Bei solch unterschiedlichen Lebensentwürfen ist es kein Wunder, wenn beruflicher Erfolg und Einkommen nicht gleich verteilt sind. Sie sind das Ergebnis unterschiedlicher Präferenzen und freier Entscheidungen.

Gleichstellung zielt darauf ab, auch diese Ergebnisunterschiede zu beseitigen. Befürworter einer Gleichstellungspolitik geben sich nicht damit zufrieden, wenn alle Bürger gleiche Chancen erhalten und in die Lage versetzt werden, frei über ihr Leben entscheiden zu dürfen. Die Befürworter wollen nicht wahrhaben, dass unterschiedliche Ergebnisse zu einem großen Teil auf freie, persönliche Weichenstellungen zurückzuführen sind. Sie vermuten hinter Ergebnisunterschieden vielmehr diskriminierende Strukturen. Deshalb seien Maßnahmen zu ergreifen, die zur Gleichstellung, also zu Ergebnisgleichheit führen. Das ist Sozialismus durch die Hintertür.

Zu den favorisierten Instrumenten der Gleichstellungs-Befürworter gehören Quoten-Regelungen. Mit ihnen soll gewährleistet werden, dass bestimmte Berufe oder Gremien paritätisch besetzt werden. Nur so lasse sich erreichen, dass bestimmte Personengruppen trotz fachlicher Qualifikation nicht an diskriminierenden Strukturen scheitern. Diese Sichtweise hat aber Schwächen. Diskriminierung – ob bei Positionen oder bei Gehältern – funktioniert dauerhaft nur dort, wo es an wettbewerblichen Strukturen fehlt; also etwa im öffentlichen Dienst, wo die Arbeitnehmer nicht die Alternative haben, den Arbeitgeber zu wechseln. In der freien Wirtschaft hingegen kann jeder, der sich diskriminiert und unter Wert eingesetzt bzw. bezahlt fühlt, den Arbeitgeber wechseln. Wer produktiver ist als er bezahlt wird, ist für andere Arbeitgeber interessant. Benachteiligungen bei Löhnen und Gehältern lassen sich in einer wettbewerblich organisierten Wirtschaft nicht lange aufrechterhalten.

Insgesamt wird unterschätzt, wie sehr der Wettbewerb um gute Arbeitskräfte dem Einzelnen nützt – wahrscheinlich mehr als Quotenregelungen oder Anti-Diskriminierungsgesetze. Eine Gesellschaft, die das Beste aus sich herausholen möchte, sollte deshalb auf Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Wettbewerb setzen.

Selbstverständlich ist die Welt auch beim Thema Gleichberechtigung nicht rosarot – sie stößt an gewissen Punkt an natürliche Grenzen. So hat das familiäre Umfeld erheblichen Einfluss auf die frühkindliche Prägung. Diese quasi von Geburt an angelegte Ungleichheit wird keine politische Maßnahme beseitigen können. Eine vollständige Chancengleichheit kann es deshalb nicht geben. Doch die Politik kann mit kostenlosen Aus- und Weiterbildungsangeboten dafür sorgen, dass der berufliche Weg nicht primär von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses abhängt.